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Der Mann mit dem Unkrautvernichter

Der Mann mit dem Unkrautvernichter (20.08.2009)

Einst ging ich eine Straße entlang, einfach so und ohne Absicht bis auf die, einen schönen Abendspaziergang zu machen. Da sah ich einen Mann der Elterngeneration, so um die 50 Jahre alt, der auf dem Gehweg kniete und das Gras, welches die Ritzen zwischen den Platten erobert hatte, mit einer weißen Paste bestrich. Ich konnte nicht lesen, was auf dem Eimer stand, also ging ich näher, und da es mir unhöflich erschien, einfach auf diesen Eimer zu starren und dann weiterzugehen, ohne gegrüßt zu haben, fragte ich ihn lieber direkt.
„Was machen Sie da?“
„Ich bestreiche dieses verdammte Gras mit Unkrautvernichter, dann ist das Mistzeug morgen weg.“
„Und warum soll es weg?“
„Hum, es macht den Gehweg so unschön.“

Ich runzelte die Stirn.

„Und deshalb töten sie es ab, weil es gegen ihre Vorstellung von ästhetischen Gehwegen ist, deswegen vernichten sie eine Pflanze?“

Er blickte mich ein wenig verwundert, aber auch gereizt an.

„Ist doch nur Scheißgras, jetzt mach dir nicht gleich ins Hemd.“
„Okay, nur Gras. Stehen Sie dann morgen, wenn das Gras tot ist, hier auf dem Gehweg, schauen sich um und denken: 'Ja, ich hab es geschafft, jetzt ist der Boden wieder Plattenbaugrau, diese widerliche Farbe habe ich erfolgreich vernichtet, die Ästhetik des Gehwegs ist dank mir wiederhergestellt, ich bin ein wirklich guter Mensch'?“
„Was zur... Was willst du denn? Natürlich sieht es dann besser aus, schließlich... ach warum rechtfertige ich mich überhaupt. Das ist schließlich meine Sache, wie ich den Gehweg vor meinem Grundstück pflege, ich muss mich gar nicht rechtfertigen, und schon gar nicht vor dir!“

Jetzt machte er mich auch ein wenig sauer, so sauer, dass ich in einen harschen Tonfall verfiel.

„Ach nein? Das sehe ich ganz und gar anders. Gerade vor mir müssen Sie sich rechtfertigen und noch viel mehr vor den Kindern, die ich mal haben werde! Und wissen Sie warum? Weil Sie dafür gesorgt haben, dass ich und meine Nachkommen einen riesigen Berg an Umweltproblemen haben, seien sie ökologischer, ökonomischer oder sozialer Art! Ihre Generation hat ohne Nachzudenken konsumiert, nein, verbraucht im wahrsten Sinne des Wortes, hat begierig jeden Luxus aufgesogen und sich einen feuchten Dreck darum geschert, wo er herkommt, wie groß die Umweltzerstörung für jeden einzelnen Artikel ist, ihr habt Arme und Reiche immer weiter voneinander entfernt, ihr habt immer wieder mehr gekauft, als ihr wirklich gebraucht habt, ihr habt es nicht geschafft, ein halbwegs funktionierendes Integrationssystem für Flüchtlinge aus aller Welt aufzubauen, ihr habt euren Wohlstand in Spritfresser angelegt, Kiloweise Fleisch verputzt, ohne an Getreide- und Wasserbrauch der Zuchten zu denken, geschweige denn an die Art der Haltung, ihr habt Atomkraftwerke als saubere Alternative zu Kohlekraftwerken soweit hochgejubelt, dass das Endlagerproblem neben den vielen anderen Störfaktoren in wunderschönen Kernspaltungswelt völlig unter den Tisch fiel, ihr habt in eurer Bequemlichkeit immer neuen Schrott erfunden, der das Leben ach so viel leichter macht und nur einen halben Wald kostet, ihr habt versucht, eine weitere Generation nach eurem Vorbild zu erziehen. Und jetzt sitzen Sie hier auf ihrem selbstgerechten Hintern und sorgen dafür, dass ich ab sofort jedes Mal, wenn ich hier langgehe, nichts weiter sehe als einen Plattenbaugrauen Gehweg, der zwar sauber und ordentlich ist, aber nun einmal verdammt beschissen aussieht. Aber danke, vielen Dank, dass sie so ein verschissen guter Mensch sind!“

Ich war wütend, wirklich wütend, und selbst sein verdutztes, ungläubig-verwirrtes Gesicht mit dem offenem Mund und der hochgezogenen Stirn konnte mich beruhigen. Vorsichtshalber ging ich einfach weiter. Nur einen Abendspaziergang wollte ich machen, und dann kommt so ein Vorzeigebürger und versaut mir alles. Gut, ich hätte einfach weitergehen können, aber irgendwie war ich auch froh, es los zu sein. Vielleicht hätte ich noch sagen sollen, dass nicht alle Leute seiner Generation so waren, doch bei dieser leider kleinen Minderheit würde ich mich jederzeit gerne entschuldigen. Je weiter ich ging, desto mehr kam mir in den Sinn, dass mir jener Mann auch ein wenig leidtun müsste. Er war schon ein halbes Jahrhundert alt, in dieser Zeit hatte er anscheinend viele Gewohnheiten entwickelt, zum Beispiel hatte er sich an einen vollkommen farblosen Gehweg gewöhnt oder das Brötchenholen mit dem Auto oder den täglichen Fleischkonsum oder oder oder. Es wäre bestimmt sehr schwer für ihn, all diese Gewohnheiten abzulegen. Für mich war es sehr einfach, aber ich bin auch 30 Jahre jünger, ich habe kein ganzes Leben gelebt wie der Mann mit dem Unkrautvernichter. Andererseits wird er vermutlich noch 30 weitere Jahre leben, eine Zeitspanne, in der das Ablegen von Angewohnheiten durchaus möglich sein sollte. Allerdings kann man sie auch nur ändern, wenn man auf ihre negativen Auswirkungen hingewiesen wird, wer keine Kritik bekommt, wird viele Fehler immer weiter übersehen. Es tat mir mittlerweile Leid, so forsch gewesen zu sein, und ich kehrte um, um mich bei dem Mann zu entschuldigen. Aber er war schon hineingegangen, weder er noch der Eimer waren noch da und die letzte Ritze, die er bestrichen hatte, war nur zur Hälfte weiß, die andere war noch grün und ließ statt des Pinsels den Wind über sich hinwegstreichen.

Tolle Uhr...  
   
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