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Refugee's Diary

Was mache ich hier? Mitten in diesem Land, umgeben von Hoffnung, die nicht weiß, in welche Richtung sie sich wenden soll. Die Hauswand, an der ich lehne, ist warm, fast schon heiß, ich spüre die scharfen Kanten des Steins durch die Risse in meinem Hemd. Jeder Blick, jedes Anheben der Lider kostet Kraft, die Lichtstrahlen schmerzen wie die Wunde an meinem Kopf, in meinem Kopf.
Getrocknetes Blut klebt an meiner Wange, selbst das Atmen fällt mir schwer. Ich könnte einfach aufhören, meinen Brustkorb erstarren lassen. Ich wäre nur ein Weiterer, einer unter Millionen. Früher oder später finden sie mich sowieso wieder, dann muss ich rennen. Oder ich bleibe einfach hier; sie kümmern sich schon um mich. Vielleicht schmeißen sie mich sogar in irgendein Massengrab anstatt mich hier vergammeln zu lassen oder über die Grenze zu werfen, damit ich da verfaulen könne. Das Ende des schützenden Schatten des Hauses kommt mir immer näher, bald muss ich hier weg. Warum ist es nur so heiß?

Ein Baum diesmal. Ich habe es geschafft, unentdeckt hier her zu gelangen. Fast ein Wunder, wenn man bedenkt, dass eine Welle aus vermeintlichen Zugehörigen der Tierart „Menschen“ seit Stunden durch die Stadt zieht und zerstört, was es zu zerstören gibt, Läden, Autos, Schilder und Leben. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich bin hier nicht mehr als ich in der Heimat war, dabei wurde dieses Land so gepriesen. Ein Land, in dem alle Schwarzen zusammen das Joch der Weißen abgeschüttelt haben, wo Zusammenhalt die weltweit am meisten Schlagzeilen verursachenste Veränderung des letzten Jahrhunderts auf diesem Kontinent brachte, dass von fast allen relevanten Ländern dieser Erde bei seinem Kampf um Freiheit und Gleichberechtigung unterstützt wurde. Ein Land, das einen Friedensnobelpreisträger, dessen Bekanntheitsgrad den aller anderen übersteigt, hervorgebracht hat, ein Land, dessen Geschichte in den reichen Ländern in der Schule unterrichtet wird. Ein Land, in dem jeder einen Hauch von Wohlstand verspürt, sogar die Armen nicht viel ärmer sind als ich, als mein gesamtes Umfeld.
Jetzt sitze ich hier, im gelobten Land. Denke darüber nach, ob es eher zynisch oder makaber ist, dass ich aus einem Flüchtlingslager fliehen musste. Aus dem Rassismus der Weißen hat sich eine Xenophobie der Schwarzen entwickelt. Wo ist die Welt jetzt? Warum helfen sie jetzt nicht?

Endlich verschwindet sie. Es wird kühler, der Mob ist leichter auszumachen, die Fackeln leuchten den Weg. Er wird müde, bald wird er vielleicht schlafen gehen und auch mir Ruhe gönnen. Wie erkennen sie mich bloß immer wieder? Ich sehe aus wie sie, ich bin schwarz, ich bin arm, mein Körper spiegelt Leiden. Es muss mein Blick sein. Sobald ich in ihre Sichtweite gelange, fliegen Steine auf mich zu und ich muss laufen. Gut, mittlerweile kann man mich an der Platzwunde an meinem Schädel erkennen, dem zerrissenen Hemd, der hoffnungslosen Mimik. Eben bin ich zu einem Haus gelaufen, nachdem der Mob in Richtung des Baumes gekommen war. Ich stehe nun inmitten einer großen, leeren Lagerhalle und warte praktisch nur darauf, dass sie von Tollwütigen gefüllt wird. Zeitungen wehen umher, es ist unheimlich dunkel, ich bekäme Angst, wenn sich mein Verstand nicht dem puren Überlebensdrang zugeschrieben hätte, ohne unnötige Regungen des restlichen Geistes. Die Schlagzeilen weisen auf eine Finanzkrise in den USA hin, dem Land der Weltpolizei. Die anscheinend nicht überall sein kann. Jetzt gerade wäre ich froh, wenn sie hier wäre und die wütenden Massen auf ihre Art demokratisierte. Aber sie sind nicht hier, kümmern sich irgendwo in öligen Wüsten um Terroristen; das ist wichtiger als irgendein Schwarzer mitten in Südafrika, der noch dazu aus einem Land stammt, welches momentan enorme politische Unruhen durchwatet.

Ich habe Durst. Sehne mich nach dem Wasser, welches aus dem Springbrunnen der Universität schoss. Sehne mich nach den Zeiten, in denen Bildung noch Wohlstand bedeutete und der Wille zur Kritik nicht den Tod oder Jahre der Verfolgung.
 

Ich habe ein paar Kisten gefunden, solche aus Pappe, in Masse fast gemütlich. Meine letzte Patrone ist fast leer, ich werde wohl in nächster Zeit nicht mehr an eine neue kommen. Nicht weiter schlimm, wenn es nicht bald ruhiger wird in dieser Stadt, in diesem Land, werde ich sowieso nur noch mit Glück noch einmal lesen können, was hier steht.

 

 

Und wer will sonst die Gedanken und über das Schicksal eines beliebigen Flüchtlings lesen? Das hieße nämlich, sich damit beschäftigen zu müssen, zumindest für kurze Zeit. Und diese kann man angesichts der wirklich sehr, sehr schlechten Weltfinanzlage wirklich nicht opfern, da man noch schnell 2000l Heizöl tanken muss, damit man warmes Wasser hat, während man sich darüber aufregt, das die Milch um 10% teurer geworden ist und man nun den Diätplan, dank dem man nicht zu fett wird, nicht mehr mit dem Finanzplan vereinen kann.
                                                                                                 (26.05.08)
Tolle Uhr...  
   
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