Der kleine Knall oder
Ein großes Szenario
31.12.2005,ca. 23.55 Uhr abends, an der Grenze Ukraine/Russland. Durch die Diskussion um die Erdgaspreise sind die Wachen auf beiden Seiten verstärkt worden. Keiner rechnet ernsthaft mit einem Krieg, man will nur ein bisschen drohen. Auch die Soldaten wollen nicht kämpfen. Ihnen wurde aufgetragen, das Feuer nur zu erwidern, aber nicht selber anzugreifen. Sonst könnte man noch von der USA als gefährlicher Staat angesehen werden. Das würde dann unweigerlich zu einem großen Krieg führen. So haben die Soldaten ihre Waffen an die Gebäude gestellt, trinken Wodka und feiern das neue Jahr schonmal an.
Aus einem nahegelegenem Dorf auf ukrainescher Seite kommen ein paar Kinder, die sehr stolz auf die paar Knaller sind, die sie trotz aller Armut ergattern konnten. Die Soldaten freuen sich über den Besuch, geben den Kindern Feuer für die Knaller und lassen sie am Wodka nippen, um dann darüber zu lachen wie die Kleinen das Gesicht verziehen, das Gebräu aber tapfer runterschlucken. Als alle Knaller verknallt sind, werden die Kinder traurig. Nun müssen sie wieder nach Hause, in die kalte Stube, zur Mutter, die sich um die Kleinsten kümmern muss, zum Vater, der den ganzen Tag gearbeitet hat um ein halbes Brot für die ganze Familie zu ergattern, zurück in die Trostlosigkeit der Armut, in den Teufelskreislauf. Die Soldaten wissen das, sind sie doch auch in dieser Verlorenheit aufgewachsen. Einer nimmt sein Gewehr, zieht das Magazin heraus und entnimmt ihm eine Patrone. Er legt sie auf den Boden, sagt den Kindern, sie sollen hinter ihn treten, und wirft einen Stein auf die Patrone. Es macht "Peng" , aber nicht sehr laut. Die Kinder freuen sich trotzdem. Plötzlich bricht die Hölle los, Kugeln fliegen durch die Luft, Befehle werden gebrüllt. Die Kinder laufen schreiend davon, die Soldaten schnappen sich ihre Gewehre und gehen in Deckung. Dann hört die Schießerei genauso schnell wieder auf, wie sie angefangen hat.
"Ein Missverständnis" steht am nächsten Tag in der Zeitung. "Keine Toten" hat der Redakteur geschrieben. Sowohl die Ukraine als auch Russland habe keine Toten gemeldet. Der Redakteur kann nicht wissen, das in einem kleinen Dorf ein paar Kinder begraben werden müssen, ihre zerfetzten kleinen Körper werden in billige Särge gelegt und verscharrt. Kein Grabstein erinnert an diese Kinder, die durch den Kugelhagel nicht hindurchgekommen sind. Die Regierung hat die Särge bezahlt, und die Familien haben Schweigegeld von beiden Regierungen bekommen, gerade genug um einen Monat zu überleben. Der Kugelhagel war mit Geld bezahlt, soviel Geld, dass die Familien ein Jahr genug zu Essen gehabt hätten. Für die Familien schießen die Soldaten mit Brot, ihre Kinder wurden mit frischem Obst erschossen und die Häuser haben Gemüseeinschläge an den Wänden.
"Warum?", denken sie. " Warum wird unser Leben in Gewehrläufe geschoben und abgefeuert, um zu töten?" |